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10. Oktober 2022

Welche Maßnahmen machen Mentoring-Programme für Mädchen in MINT erfolgreich?

  • Gender

Geschätzte Lesedauer: ca. 4 Minuten

Nachdem wir uns im fünften Beitrag unserer Serie von Blogbeiträgen zum Thema „Mädchen und Frauen in MINT“ mit MINT+ beschäftigt haben, geht es in diesem Beitrag um Mentoring. Ihr erfahrt,

  • warum Mentoring besonders geeignet ist, um Mädchen und Frauen in MINT zu fördern, und
  • welche Aspekte bei der Entwicklung von erfolgreichen Mentoring-Programmen zu beachten sind.

Was ist Mentoring?

Es gibt viele verschiedene Formen und Definitionen von Mentoring. Das Idealbild von Mentoring ist eine Beziehung zwischen einem:einer erfahrenen Mentor:in und seinem:ihrer weniger erfahrenen Mentee über einen längeren Zeitraum. Wichtig ist dabei gegenseitiges Vertrauen, Offenheit und Wohlwollen. Das Ziel der Mentoring-Beziehung ist, neue Perspektiven aufzuzeigen und die Entwicklung des:der Mentee zu fördern.1

Warum ist Mentoring eine geeignete Fördermaßnahme?

Für die geringe Beteiligung von Mädchen und Frauen in MINT gibt es viele verschiedene Ursachen. In der Forschung werden vor allem (1) fehlende weibliche MINT-Rollenmodelle, (2) individuelle Merkmale wie niedriges Vertrauen in die eigenen MINT-Fähigkeiten sowie (3) Sozialisations- und Umwelteinflüsse diskutiert.2 Mentoring ist eine Möglichkeit, nicht nur an einem, sondern an allen drei Faktoren anzusetzen.

Erstens können Mentorinnen als weibliche MINT-Rollenmodelle wirken, indem sie ihren Mentees beispielsweise zeigen, wie sie wichtige Themen wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf handhaben oder wie sie mit Rückschlägen und Herausforderungen umgehen. Da nur wenige Frauen ein MINT-Fach studieren oder in einem MINT-Beruf arbeiten, können MINT-interessierte Mädchen in ihrem Umfeld nur selten erfolgreiche MINT-Frauen zum Vorbild nehmen. Die Teilnahme an entsprechenden Mentoring-Programmen macht dies möglich. Mentoring geht allerdings über die Rollenmodell-Wirkung hinaus.

Denn im Rahmen eines Mentorings kann zweitens auch an Problemen gearbeitet werden, die individuelle Merkmale betreffen. Mentoring eröffnet den Mädchen die Chance, konkrete Unterstützung zu erhalten, gemeinsam an MINT-Projekten zu arbeiten und so ihr Vertrauen in die eigenen MINT-Fähigkeiten zu stärken. Auch ungünstige Erklärungen für Erfolge („Da hatte ich aber Glück, dass genau das drankam, was ich gelernt habe.“) oder Misserfolge („Ich bin halt einfach nicht begabt für Mathe.“) können mit der Mentorin reflektiert werden.  

Drittens kann im Rahmen einer vertrauensvollen Mentoring-Beziehung über Herausforderungen gesprochen werden, auf die MINT-interessierte Mädchen in ihrer Umgebung treffen. Widerstände können in Form von stereotypen Vorstellungen und Vorurteilen ihren Ursprung im Elternhaus oder in der Schule haben. Eltern, Lehrkräfte, aber auch gleichaltrige Freund:innen der Mentee können gezielt in das Mentoring eingebunden werden. Die Mentorin kann mit ihrer Mentee auch über gesellschaftliche Stereotype sprechen, die der Mentee teilweise täglich in medialen (Nicht-)Darstellungen von Mädchen und Frauen in MINT begegnen.

Darüber hinaus kann eine Mentorin ihrer Mentee zahlreiche Lerngelegenheiten ermöglichen, beispielsweise indem sie Informationen zu MINT-Themen weitergibt, für die sich ihre Mentee besonders interessiert, oder sich mit ihr über MINT-Ausbildungswege, -Studiengänge und -Berufe austauschen. Eine Mentee kann auf diese Weise Einblick erhalten, wie die Mentorin eigentlich zu ihrem Beruf gekommen ist und wie ihr Alltag nun aussieht. Zusätzlich kann die Mentorin ihrer Mentee praktische MINT-Erfahrungen ermöglichen, indem sie ihr beispielsweise einen Praktikumsplatz vermittelt.

Schließlich können im Rahmen von Mentoring-Programmen über die Eins-zu-eins-Beziehung zwischen Mentorin und Mentee hinaus auch größere Netzwerke entstehen, zum Beispiel durch regelmäßige Treffen für alle Programm-Teilnehmerinnen oder durch eine programmbegleitende Mentoring-Plattform (vgl. zum Beispiel www.cybermentor.de). Dadurch können Mentees von vielen weiteren Mentorinnen profitieren und auch Kontakt zu anderen MINT-interessierten Mädchen aufbauen.

Welche Aspekte sind wichtig für die Entwicklung erfolgreicher Mentoring-Programme?

Mentoring gilt aufgrund der individuellen Betreuungssituation auch als Goldstandard des Lernens.3 Allerdings zeigen zahlreiche Metaanalysen, dass Mentoring nicht immer zu positiven Effekten führt, sondern teilweise auch zu geringen oder sogar negativen Effekten. Die sehr unterschiedlichen Fördereffekte sind dabei auf Aspekte der Umsetzung von Mentoring-Programmen zurückzuführen.4, 5

Um möglichst große Fördererfolge im Rahmen von Mentoring-Programmen zu erreichen, müssen diese gut umgesetzt werden. Eine wegweisende Studie zu erfolgreichen Aspekten von Mentoring-Programmen zeigt diese hilfreichen Kriterien:6

  • die Überwachung der Programmumsetzung,
  • die Überprüfung der Eignung der Mentor:innen,
  • die Zusammenstellung der Mentoring-Paare auf Basis eines oder mehrerer relevanter Merkmale,
  • vorbereitende und begleitende Schulungen,
  • Supervision der Mentor:innen,
  • Unterstützungsmöglichkeiten für Mentor:innen,
  • strukturierte Aktivitäten für die Teilnehmenden,
  • Einbeziehung der Eltern bzw. wichtiger sozialer Agent:innen sowie
  • eine klare Kommunikation an alle Beteiligten über Erwartungen hinsichtlich der Häufigkeit des Kontakts und der Dauer der Mentoring-Beziehung.

Die positiven Fördereffekte eines Mentoring-Programms sind umso größer, je mehr dieser Kriterien umgesetzt werden. Zudem sollten Mentoring-Programme länger als drei Monate dauern,7 besser mindestens ein Jahr.4 Eine optimale Zusammenstellung von Mentoring-Paaren sollte anhand der Ähnlichkeit ihrer Interessen erfolgen.7

Als Fazit lässt sich festhalten: Wenn die aus der Forschung bekannten Erfolgsaspekte berücksichtigt werden, können Mentoring-Programme eine ideale Möglichkeit darstellen, Mädchen und Frauen in MINT optimal in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung zu fördern und auf ihrem schulischen und beruflichen MINT-Weg zu unterstützen.

Hier findet Ihr die oben genannte Literatur und weiterführende Links:

1 Ziegler, A. (2009). Mentoring: Konzeptuelle Grundlagen und Wirksamkeitsanalyse. In: H. Stöger, A. Ziegler & D. Schimke (Hrsg.), Mentoring: Theoretische Hintergründe, empirische Befunde und praktische Anwendungen (S. 7–29). Lengerich: Pabst.

2 Stöger, H., Ziegler, A., & Heilemann, M. (Hrsg.) (2012). Mädchen und Frauen in MINT: Bedingungen von Geschlechtsunterschieden und Interventionsmöglichkeiten. Münster: LIT.

3 Grassinger, R., Porath, M., & Ziegler, A. (2010). Mentoring the gifted: A conceptual analysis. High Ability Studies, 21(1), 27–46. https://doi.org/10.1080/13598139.2010.488087

4 Greindl, T., Heilemann, M., Stöger, H., & Ziegler, A. (2018). E-Mentoring als Möglichkeit interaktiven Lernens im Internet: Das Beispiel CyberMentor. In: M. Heilemann, H. Stöger & A. Ziegler (Hrsg.), Lernen im Internet (S. 133–164). Münster: LIT.

5 Stöger, H., & Ziegler, A. (2012). Wie effektiv ist Mentoring? Ergebnisse von Einzelfall- und Meta-Analysen. Diskurs Kindheits- und Jugendforschung, 7(2), 131–146. https://elibrary.utb.de/doi/10.3224/diskurs.v7i2.03

6 DuBois, D. L., Holloway, B. E., Valentine, J. C., & Cooper, H. (2002). Effectiveness of mentoring programs for youth: A meta-analytic review. American Journal of Community Psychology, 30(2), 157–197. https://doi.org/10.1023/A:1014628810714

7 DuBois, D. L., Portillo, N., Rhodes, J. E., Silverthorn, N., & Valentine, J. C. (2011). How effective are mentoring programs for youth? A systematic assessment of the evidence. Psychological Science in the Public Interest, 12(2), 57–91. https://doi.org/10.1177/1529100611414806

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