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14. Juni 2022

Welche Eigenschaften haben wirksame weibliche MINT-Rollenmodelle?

  • Gender

Geschätzte Lesedauer: ca. 4 Minuten

Nachdem wir im dritten Beitrag unserer Serie von Blogbeiträgen zum Thema „Mädchen und Frauen in MINT“ darüber berichtet haben, wie wir mit Geschlechterstereotypen lösungsorientiert umgehen können, geht es in diesem Beitrag um Rollenmodelle. Wir beschäftigen uns mit der Frage, was wir berücksichtigen müssen, wenn wir weibliche MINT-Rollenmodelle zur Verfügung stellen – um auch wirklich die gewünschten Veränderungen zu erzielen und nicht möglicherweise sogar gegenteilige Effekte zu bewirken.

Mädchen und Frauen, die sich bereits für eine Ausbildung, ein Studium oder einen Beruf im MINT-Bereich entschieden haben, betonen häufig die Bedeutung von Rollenmodellen für ihre Entscheidung. Auch zahlreiche Forschungsstudien konnten zeigen, dass Rollenmodelle Einstellungen und Stereotype verändern, das Selbstkonzept stärken sowie Kurswahlverhalten und Karriereverläufe positiv beeinflussen können.

Da nur wenige Frauen ein MINT-Fach studieren oder in einem MINT-Beruf tätig sind, können Mädchen in ihrem sozialen Umfeld sich nur selten erfolgreiche MINT-Frauen zum Vorbild nehmen. Deshalb wird häufig versucht, Veränderungen im MINT-Bereich dadurch zu bewirken, dass weibliche MINT-Rollenmodelle zur Verfügung gestellt werden.

Allerdings zeigen Studien (Richards & Hewstone, 2001), dass gerade Frauen, die nicht dem gängigen Stereotyp entsprechen – also beispielsweise eine im MINT-Bereich erfolgreiche Frau –, sogar gegenteilige Effekte bei den Mädchen hervorrufen können, nämlich eine Distanzierung vom MINT-Bereich.

Wie lässt sich das erklären?

Untypische Rollenmodelle – also Frauen, die nicht den stereotypen Vorstellungen entsprechen – ordnen die Mädchen einfach in eine eigene Unterkategorie ein, weit weg von der Kategorie der Frauen, die das Stereotyp bestätigen. Die Mädchen betrachten die untypischen Rollenmodelle somit als Ausnahme von der Regel.

Erfolgreiche MINT-Frauen gehören also nicht in die Kategorie der „normalen“ Frauen und haben nichts mit mir zu tun – das ist der Schluss, zu dem die Mädchen möglicherweise kommen. Durch ungeeignete Rollenmodelle kann demnach die positive Veränderung ausbleiben und sogar ein gegenteiliger Effekt bewirkt werden.

Damit weibliche MINT-Rollenmodelle nicht als Ausnahme von der Regel wahrgenommen werden, kann es helfen, möglichst viele Rollenmodelle anzubieten. Das können sowohl erfolgreiche MINT-Frauen als auch an MINT interessierte gleichaltrige Mädchen sein.

Dabei reicht es nicht, irgendwelche Rollenmodelle zur Verfügung zu stellen, sondern es ist wichtig, dass sie auch Eigenschaften aufweisen, mit denen sich die Mädchen identifizieren können, beispielsweise indem sie davon erzählen, dass sie auch Interessen wie Musikhören oder Ins-Kino-Gehen haben. Dadurch können die Mädchen sehen, dass die Rollenmodelle ihnen in vielerlei Hinsicht ähnlich sind. Eine erfolgreiche MINT-Frau kann also vor allem dann Stereotype reduzieren und erfolgreich wirken, wenn zusätzliche Randbedingungen erfüllt sind, die es den Mädchen ermöglichen, das Rollenmodell wirklich der Kategorie der Frauen zuzuordnen – und nicht einer Unterkategorie abseits davon. Somit ist darauf zu achten, dass Modelle nicht nur als erfolgreich im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich dargestellt werden, sondern auch als „typisch weiblich“ und möglichst ähnlich zu der Gruppe, deren Stereotype verändert werden sollen.

Zudem gibt es Hinweise (Stöger, 2007), dass für Mädchen mit wenig Vorinteresse und geringem Vertrauen in ihre eigenen MINT-Fähigkeiten andere Rollenmodelle vorteilhaft sind als für Mädchen mit hohem Vorinteresse. Für Mädchen mit geringem Vorinteresse ist es wichtig, Modelle zu wählen, die einerseits „typisch weibliche“ Eigenschaften aufweisen und möglichst ähnlich zu ihrer Altersgruppe sind. Zudem sollten für sie Rollenmodelle so gewählt werden, dass sich die Mädchen ihnen gegenüber nicht als inkompetent empfinden. Beispielsweise könnte eine Frau als entsprechendes Rollenmodell hervorheben, dass sie früher nicht sonderlich interessiert an MINT gewesen sei und anfangs große Schwierigkeiten gehabt habe, sich im Betrieb oder an der Uni zurechtzufinden. Sie habe bald festgestellt, dass sie in der Lage ist, in dieser Ausbildung oder diesem Studienfach erfolgreich zu sein, wenn sie sich durch Rückschläge nicht entmutigen lässt und sich stattdessen besonders anstrengt und lernt.

Nicht nur das Präsentieren geeigneter weiblicher MINT-Rollenmodelle kann dabei helfen, Mädchen langfristig für den MINT-Bereich zu begeistern – hier findet Ihr weitere Anregungen, welche effektiven Maßnahmen es gibt.

Hier findet Ihr die oben genannte Literatur und weiterführende Links:

Richards, Z., & Hewstone, M. (2001). Subtyping and subgrouping: Processes for the prevention and promotion of stereotype change. Personality and Social Psychology Review, 5(1), 52–73.

Stöger, H. (2007). Förderung von Selbstvertrauen, selbst wahrgenommener Eignung für verschiedene Studienfächer, Interessen und Wahlverhalten durch Rollenmodelle. In P. Ludwig & H. Ludwig (Hrsg.), Erwartungen in himmelblau und rosarot – Effekte, Determinanten und Konsequenzen von Geschlechterdifferenzen in der Schule (S. 157–173). Weinheim: Juventa.

Mädchen und Frauen in MINT – wie geht es von hier aus weiter? | MINTvernetzt (mint-vernetzt.de)

Gendersensible MINT-Didaktik – ein Themenspezial auf mint-vernetzt.de | MINTvernetzt (mint-vernetzt.de)