zur Übersicht
09. Juni 2022

Stimmen des Thinkathons

  • Innovation
  • MINT+
  • Vernetzung

Geschätzte Lesedauer: ca. 9 Minuten

Innovation, Motivation und MINT+ waren zentrale Bestandteile des Thinkathons in Berlin. Spannende MINT-Akteur:innen aus unterschiedlichen Projekten und Arbeitsbereichen waren dabei. Wir wollten wissen: Wie hat Euch der Thinkathon gefallen? Sechs Teilnehmende haben geantwortet.     

3 Fragen an  Henrike Haverkamp

Foto Henrike Haverkamp

Henrike Haverkamp arbeitet an einem außerschulischen Lernort in Diepholz, einer Kleinstadt zwischen Bremen und Osnabrück. Henrike hat Wirtschaft, Technik und Textiles Gestalten auf Lehramt studiert und gerade ihre Doktorarbeit zum Thema „Technikbegriffe von Kindern und Jugendlichen. Empirische Untersuchung von subjektiven Sichtweisen auf Technik“ geschrieben. 

Henrike, warum bist Du beim Thinkathon? 

In meinem neuen Job habe ich die Aufgabe, bei der Entwicklung eines MINT-Clusters mitzuwirken. Da dachte ich, ich gehe zum Thinkathon, um mich zu vernetzen. Das hat auch geklappt: Ich habe bereits eine Mitarbeiterin aus einem anderen MINT-Cluster kennengelernt. Die sind schon viel weiter als wir, so konnte ich mir wertvolle Tipps holen – und natürlich auch Kontaktdaten austauschen.  

Kannst Du mit dem Begriff MINT+ etwas anfangen? 

Das liegt mir tatsächlich seit langem am Herzen. Aber ich weiß, dass es sehr schwer ist, MINT+ umzusetzen, wenn die Strukturen schon lange vorhanden sind. Die eingearbeiteten Mitarbeitenden davon zu überzeugen, sich zu trauen, das Ergebnis offenzulassen, ist eine große Herausforderung.  

Was hat Dich am Thinkathon am meisten inspiriert? 

Der Schrotthaufen, mit dem die Keynote von Tinkertank begonnen hat. Die Kinder können sich ein Teil aussuchen und einfach mal machen, was ihnen in den Kopf kommt. Also zertrümmern oder fein säuberlich auseinanderbauen. Das bietet viele Vorteile. Auch, weil der Schrott ja umsonst ist. Für einen kreativen Umgang mit MINT scheint mir das als Ausgangspunkt eine sehr gute Idee zu sein. 

3 Fragen an Markus Riefling 

Foto Markus Riefling

Markus Riefling ist Projektreferent bei der Wissensfabrik in Ludwigshafen, der größten schulischen MINT-Initiative Deutschlands. Er betreut eine Kooperation mit dem Bildungsministerium in Rheinland-Pfalz und hat gemeinsam mit dem Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie das Projekt „City for Future“ entwickelt, bei dem es um Klimawandel und Nachhaltigkeit geht.

Markus, was macht den Thinkathon für Dich aus? 

MINTvernetzt ist für mich DIE MINT-Bildungs-Initiative Deutschlands. Ich finde sie vor allem wegen des Erfahrungsaustauschs und der Atmosphäre toll, das war schon im letzten Jahr bei den Online-Formaten so. Die Art und Weise, wie hier miteinander gesprochen wird, ist besonders. Und die bei den Keynotes von Tinkertank und Error Music vorgestellten konkreten Ansätze haben mir am besten gefallen, sie werden haften bleiben.  

Hast Du Dich mit dem Kunstbegriff in MINT bisher beschäftigt? 

Nein, ich bin auch ohne große Überlegung hierhergekommen – bin jetzt aber beruhigt, dass Kunst und Kreativität relativ weit gefasst sind. Somit können wir unsere Ansätze als künstlerisch betrachten. Ein Beispiel: Wir haben ein Technikprojekt, da bauen Schüler:innen mit Holz, Nägeln und Hammer einen Turm. Den kann man kreativ gestalten, etwa bemalen oder in eine Stadt integrieren.  

Wie können mehr Mädchen für MINT-Themen begeistert werden? 

Ich denke, dass die Ansprache an Mädchen mit Kunst und Kreativität auf jeden Fall besser gelingt. Das erhoffen wir uns auch über unser Klimawandel-Projekt. Wenn ich mir die „Fridays for Future“-Generation anschaue, dann gehen da vor allem Frauen voran – was mich sehr freut. 

3 Fragen an Franka Heers 

Foto Franka Heers

Franka Heers studierte Maschinenbau und Berufspädagogik. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie im FabLab IDEENREICH an der Hochschule Flensburg, dort hat Franka die Stelle für pädagogische Konzeptionierung eines außerschulischen Lernorts inne.

Franka, Du hast selbst einen Workshop angeboten. Worum ging es da? 

„Werde zum:zur Erfinder:in mit LittleBits“ hieß unser Workshop. LittleBits sind kleine Elektronik-Module, die man als spielerischen und niedrigschwelligen Einstieg in die Welt der Elektronik sehen kann. Und zwar, ohne löten oder programmieren zu müssen. In unserem FabLab geht es viel um digitale Fertigung. Weil die nicht mobil ist, konnten wir sie nicht mit nach Berlin bringen. Deshalb haben wir versucht, den Teilnehmenden die LittleBits als superkreative Methode mitzugeben.   

Was nimmst Du mit nach Hause? 

Es klingt abgedroschen, aber die Begegnungen mit den Menschen. Mal wieder eine Präsenzveranstaltung mit Gleichgesinnten, die auch innovative Ideen und Ansätze haben, das fand ich sehr inspirierend. Am meisten umgehauen hat mich das Error-Music-Projekt, das kannte ich vorher nicht. Wie superspannend, elektronische Musik als Zugang zu nutzen – und dann auch noch als Empowerment für junge Frauen!  

Gibt es MINT überhaupt ohne Kreativität? 

Ich glaube, es gibt leider noch immer viel MINT ohne Kreativität. Wenn wir im Schulkontext bleiben, dann weiß ich nicht, ob es wirklich guten MINT-Unterricht ohne Kreativität geben kann. Meiner Meinung nach lässt gute MINT-Bildung immer Raum für Kreativität. Gerade wenn man dieses Nerd-Image ein bisschen aufbrechen möchte, kommt man nicht drum herum, neue Zugänge zu finden – und das kann über Kreativität gut gelingen. 

3 Fragen an Nora Dörr 

Foto Nora Dörr

Nora Dörr hat Wirtschaftsingenieurwesen studiert und ist Projektmanagerin für neue Technologien und Services beim VDE, dem Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V.

Warum bist Du hier? 

Ich arbeite beim Verband für Elektrotechnik. Durch zwei aktuelle Studien haben wir jüngst herausgefunden, dass der E-Technik-Nachwuchs quasi einbricht. Im Zuge des Klimawandels und der Umstellung der Energienetze auf Elektrizität werden wir aber ganz viele E-Ingenieur:innen brauchen. Die fehlen uns jetzt schon massiv. Leider bringen wir es nicht recht rüber, wie cool unser Fach ist. Schüler:innen denken häufig, es gehe um die Arbeit im Blaumann, irgendwelche Kabel verlegen. Sie träumen davon, einen Windpark zu entwickeln – und damit haben sie vollkommen recht. Genau das machen Elektroingenieur:innen! Ich bin also hier, um mich inspirieren zu lassen, damit unser Fach besser rüberkommt. 

Was hat Dich am Thinkathon begeistert? 

Der Workshop „Learning Journey Lightmaker“, den die Technologiestiftung Berlin angeboten hat. Da konnte ich ein bisschen mit Dioden bauen – wie supertoll! In der Corona-Zeit habe ich etwas Ähnliches mit meinem Kind zuhause gemacht, dieses spielerische Heranführen an Technik liegt mir total. Wenn Kinder sehen: Ich kann Strom beherrschen, ich kann eine Lampe zum Leuchten bringen! Das hat mich selbst im naturwissenschaftlichen Unterricht immer am meisten begeistert: Wenn ich wusste, wofür ich es mache, war ich dabei.  

Wie stehst Du zu MINT+? 

Wenn Kinder einen Roboter bauen, ist immer Kreativität dabei. Ich kenne das aus dem Innovationsmanagement in meinem beruflichen Alltag. Wenn man freies Denken mit Erwachsenen übt, müssen sie oft erst einmal ihre Scheuklappen ablegen – das strukturierte Vorgehen mal kurz vergessen, mal etwas verwerfen, eben spielerisch sein. Dadurch entsteht die Freude daran, sich selbst auszudrücken. Genau das gelingt stark über die kreativen Ansätze. 

3 Fragen an Pierre Meinokat 

Foto Pierre Meinokat

Pierre Meinokat hat Sport und Informatik auf Lehramt studiert und schreibt gerade seine Doktorarbeit in der Pädagogik mit dem Schwerpunkt auf Unterrichtsstörung. Sein Arbeitsbereich im Karlsruher Institut für Technologie heißt Interdisziplinäre Didaktik der MINT-Fächer und des Sports.

Pierre, warum bist Du beim Thinkathon? 

Ich vertrete mit meinem Team das Schülerlabor „MINT in Bewegung“ vom Karlsruher Institut für Technologie. Jüngst sind wir mit der MINTrakete ausgezeichnet worden. Beim Thinkathon haben wir einen Stand und ich halte einen Vortrag zu unserem Schülerlabor, bei dem wir Schüler:innen der 6. bis 10. Klasse in mittlerweile 40 Stationen Zugang zu Sport als greifbarem Lebensweltbeispiel geben.  

Sind die Leute verwundert, wenn Du erzählst, dass Du MINT und Sport zusammenbringst? 

Die Rolle des Paradiesvogels bin ich gewohnt. Wir können fast immer die Menschen begeistern, wenn wir ihnen erzählen, wie gut man MINT und Sport in Verbindung bringen kann. Wir zeigen in Sportversuchen beispielsweise, wie sich der Körper durch die Bewegung erwärmt, und können das mit der entsprechenden Technik messen. Auch wenn es nicht offensichtlich ist, sind die Anknüpfungspunkte auch zu gestaltenden Fächern da. Leider gibt es nur sehr wenige Schülerlabore in Deutschland, die sich mit MINT und Sport beschäftigen. Genau genommen sind es drei, von denen zwei bei uns in Karlsruhe sind.  

Hast Du einen Bezug zum Künstlerisch-Kreativen? 

So etwas habe ich in meiner früheren Biografie nie kennengelernt, Kunst war auch in der Schule nie meins. Obwohl es für mich fachfremd ist, sehe ich direkte Anknüpfungspunkte auch zu unserem Bereich. Mich fasziniert alles Interdisziplinäre. Die Zugänge, die ich hier kennengelernt habe, sind alle sehr spannend, motivierend und inspirierend. Ich finde es schön zu sehen, wie mutig vorangegangen wird, um die MINT-Bildung mit dem künstlerisch-ästhetischen Sektor in Verbindung zu bringen. 

3 Fragen an Florian Mohaupt 

Foto Florian Mohaupt

Florian Mohaupt ist Ingenieur und Physiker und arbeitet im explorhino in Aalen, einem Science Center, Schülerlabor und Maker Space. Er ist an der Hochschule Aalen wissenschaftlich beschäftigt und arbeitet an didaktischen Konzepten von Exponaten. Im Schülerlabor ist er Lernbegleiter.

Florian, wie kreativ ist Deine MINT-Bildung? 

In unserem Science Center in Aalen gibt es Entdeckerkisten, die können Schulklassen oder Familien ausleihen. Unser Schwerpunkt liegt auf analogen Dingen, etwa Handwerkliches oder Seifenblasen. Beim Thinkathon habe ich mitgenommen, dass wir das erweitern können, etwa in einer neuen Entdeckerkiste mit Informatik. Allerdings gäbe es da neue Aspekte zu berücksichtigen. Hinterher müssten wir nicht nur prüfen, ob das Material zurückgekommen ist, sondern auch, ob es noch weiter funktionsfähig ist. Also ob beispielsweise Programme entfernt werden müssen, die draufgespielt wurden. 

Bist Du selbst auch kreativ? 

Ich würde mich als die Unkreativität in Person beschreiben, einen besonderen Zugang zu Kunst und Kreativität habe ich wirklich nicht. Das Einzige in die Richtung, was ich privat mache, ist Low Poly Papercraft, das sind Papierfiguren, die man wie eine Trophäe an die Wand hängen kann. Der Gesamtprozess ist ergebnisoffen, trotzdem ist es ein bisschen wie Kleben nach Zahlen. 

Was nimmst Du mit nach Hause? 

Die vielen verschiedenen Eindrücke und Ideen, was andere Projekte machen. Jetzt beginnt für uns der Transfer: Was können wir auch umsetzen, wovon können wir profitieren? Ich stelle mir schon die Frage, wie wir das Künstlerische in unser Schülerlabor reinbekommen. Wir sind relativ stark auf MINT ausgerichtet, allerdings ist die Kreativität trotzdem da, weil wir sehr viel ergebnisoffen arbeiten. Das Künstlerische hat aber noch nicht Einzug gehalten.  

Im Rahmen des Thinkathons sind verschiedene Artikel entstanden, die in den kommenden Wochen bei mint-vernetzt.de/news zu finden sein werden.