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04. Februar 2022

Social Impact: wieso Wirkung für bessere Bildung wichtig ist

  • Gute Praxis
  • Innovation

Geschätzte Lesedauer: ca. 7 Minuten

Mit unseren Bildungsprojekten wollen wir die Welt verändern. Doch gelingt das auch wirklich? Der gesellschaftliche Wert lässt sich oft nicht eindeutig beziffern. Trotzdem ist es möglich, die Wirkung zu messen. Wie das geht, zeigen wir Euch am Beispiel des Bildungsprogramms Acker e. V. 

Die Vision des Vereins Acker: mehr Wertschätzung für Natur und Lebensmittel in der Gesellschaft zu erzeugen. Dafür hat er viele verschiedene Bildungsprogramme rund um Biologie, Natur und Lebensmittel entwickelt. Die langjährige Klima- und Polarforscherin Dr. Sina Muster ist inzwischen Teamlead Wirkungsmessung bei Acker e. V., weil ihr bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit klar wurde, dass Forschungsergebnisse allein keine Wirkung in der Gesellschaft erzielen.  

„Wir müssen schon bei den Kindern und Jugendlichen ganz anders ansetzen, um eine Gesellschaft zu entwickeln, die in der Lage ist, mit den Herausforderungen des Klimawandels umzugehen“, sagt sie. Das habe sie zum Bildungsprogramm Acker gebracht. Im Rahmen der MINT-Aktionswoche von MINTvernetzt hat sie Ende November 2021 ihre Erfahrungen mit dem Thema Wirkungsanalyse mit uns und einem digitalen Plenum geteilt.  

Warum ist Wirkungsanalyse so wichtig? 

„Wirkung ist unsere Währung“, erklärt Dr. Sina Muster. Denn sie schafft Motivation für die Mitarbeiter:innen und für die ausführenden Zielgruppen (Lehrkräfte, Schulleitungen). Durch den Abgleich von Zielen mit den investierten Ressourcen sichert Wirkungsanalyse auch die Qualität eines Programms und zeigt gleichzeitig das Potential zur Weiterentwicklung auf. Zusätzlich lässt sich die Wirkung eines Projektes als kommunikatives Mittel einsetzen, um das Projekt bei der Suche nach neuen Partner:innen oder gegenüber Akteur:innen zu legitimieren. Wirkung eignet sich demnach als ein glaubwürdiges Werbemittel.  

Was macht Acker e. V. genau? 

Genauer stellt Dr. Sina Muster beim Innovationspanel „Social Impact“ die GemüseAckerdemie vor, ein praxisorientiertes Bildungsprogramm für Schulen, das es seit 2014 gibt. Auf einem schuleigenen Acker bauen die Schüler:innen Gemüse an. Dabei können die Kinder über ein halbes Jahr lang – vom Frühjahr bis zum Herbst – erleben, wie Gemüse wächst, und es dann auch selber ernten und verkosten. Eine Erfahrung für alle Sinne! Das Ziel: eine junge Generation für gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit begeistern. 

Das Acker-Angebot besteht aus Fortbildungen für Lehrkräfte, logistischer und technischer Begleitung und praktischer Hilfe. Da wird viel investiert. Deshalb ist es natürlich wichtig zu wissen: Was bringt dieser ganze Aufwand?  

Acker e. V. hat sich die Frage nach der Wirkung von Anfang an gestellt. Über 600 Schulen in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz haben 2021 teilgenommen, insgesamt waren das 28.600 Kinder. Aber das war natürlich nicht immer so: Als das Projekt 2014 startete, waren drei Bundesländer mit sechs Schulen und 120 Kindern dabei. Aber sogar in dieser Pilotphase hat sich Acker e. V. schon Gedanken über Wirkung gemacht.  

Wie setzt sich die Wirkungslogik von Acker e. V. zusammen? 

Zuerst einmal haben sich die Macher:innen überlegt, was eigentlich das gesellschaftliche Problem ist. Sie bewegt, dass sich die Gesellschaft immer mehr von Landwirtschaft und Lebensmitteln entfremdet. Ein messbarer Beweis: Rund 30 Prozent aller Lebensmittel werden weggeworfen. Es stehen auch immer weniger Naturerfahrungsräume für Kinder zur Verfügung, womit auch ein Verlust an Wissen, Kompetenz und Bezug zur Natur und zur Lebensmittelproduktion einhergeht. Eine Nebenwirkung davon: Immer mehr Kinder ernähren sich ungesund, Krankheiten wie Übergewicht und Diabetes nehmen zu. Was kann Acker e. V. tun, um das zu ändern? 

Auf dem Bild ist eine Tabelle mit den zwei Lila-Farbtönen von MINTvernetzt mit 4 Spalten zu sehen. Die Tabelle zeigt das so genannte IOOI-Wirkungsmodell für Acker e.V. 
Zwischen den Überschriften der 4 Tabellenspalten zeigen Pfeile nach rechts und deuten einen Verlauf an. 

Spalte 1: I für Input - Das Programm stellt Sach- und Finanzmittel zur Verfügung und investiert in ein interdisziplinäres Team, das Expertise und Erfahrung bietet, über hilfreiche Netzwerke verfügt, und mit ganz viel Spaß, Motivation und Leidenschaft bei der Sache ist. 

Spalte 2: O für Output - Die Schüler:innen bauen ein Jahr lang ihr eigenes Gemüse an und erfahren so die Zusammenhänge der Natur und Lebensmittelproduktion. 

Spalte 3: O für Outcome - Was wird bei den Schüler:innen bewirkt? Sie erwerben Wissen und Erfahrung zum Thema Gemüseanbau und entwickeln Wertschätzung und Interesse für Natur und Lebensmittel. Außerdem ernähren sie sich gesünder. 

Spalte 4: I für Impact - Das langfristige Ziel von Acker e. V. ist es, eine nachhaltig konsumierende und produzierende Gesellschaft zu erreichen, die Natur und Lebensmittel wertschätzt. Eine gesunde Ernährungsweise soll in ihr verankert sein.

Diese Wirkungslogik ist laut Dr. Sina Muster das zentrale Fundament des Programms, das genutzt wird, um kontinuierlich zu überprüfen, ob die Wirkungsziele, die man sich gesetzt hat, auch erreicht werden.  

Ein Beispiel aus dem Programm: Das Wirkungsziel aus dem Bereich Wissen ist, dass die Schüler:innen gartenbauliche Fähigkeiten und ein Verständnis für ökologische Zusammenhänge entwickeln. Dieses sehr weit gefasste Ziel wird nochmal auf verschiedene Indikatoren heruntergebrochen, die sich dann auch gut messen lassen – zum Beispiel im Rahmen qualitativer Interviews oder quantitativer Erhebungen. 

Diese Indikatoren sind:  

  • Die Schüler:innen können Acker-Geräte benennen und wissen, wie man sie einsetzt. 
  • Sie wissen, wie man einzelne Gemüsearten kultiviert, und kennen die Bedürfnisse von Pflanzen. 
  • Sie kennen die wichtigsten Acker-Tätigkeiten (zum Beispiel Hacken, Jäten, Gießen, Mulchen, Pflanzen und Ernten) und wissen, wie diese durchgeführt werden. 

Mit welchen konkreten Maßnahmen wird die Wirkung bei Acker e. V. analysiert? 

Um die Wirkung des Bildungsprogramms messen zu können, arbeitet der Verein vor allem mit diesen drei Werkzeugen: 

  1. Vorher-nachher-Fragebogen für Schüler:innen 
  2. Fokusgruppen mit allen Schüler:innen 
  3. Interviews mit Lehrer:innen, Schulleitungen und Eltern

Wie kann ein Einstieg in die Wirkungsanalyse gelingen? 

Aller Anfang ist schwer, das weiß auch Wirkungsanalyse-Profi Dr. Sina Muster. Deshalb gibt sie konkrete Tipps, wie der Einstieg in die Wirkungsanalyse gelingen kann.  

  • Klein anfangen und sich nicht zu viel vornehmen: Was sind meine ein, zwei Hauptziele und was kann ich da erreichen? 
  • Auf den Output konzentrieren und Zielgruppen sehr gut kennenlernen 
  • Qualitativ anfangen: mit einzelnen Personen ins Gespräch gehen und Feedback einfordern 
  • Externe Unterstützung einholen, zum Beispiel Zusammenarbeit mit Universitäten, externen Honorarkräften … 
  • Wirkung in Förderanträgen einpreisen: Zeigt, dass einem als Social-Impact-Akteur:in Wirkung wirklich wichtig ist, aber dass es auch Aufwand bedeutet und personelle Kapazitäten erfordert
  • Sich fortbilden 

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse von Acker e. V. im Bereich Wirkungsanalyse? 

Für das Bildungsprogramm bedeutet Wirkungsorientierung Lernkultur. Das äußert sich etwa darin, dass dort Fehler und Misserfolge erlaubt und sogar erwünscht sind. Denn die gemachten Erfahrungen können zur Weiterentwicklung genutzt werden. Mindestens ebenso essentiell: Wirkungsanalyse ist beim Verein Teil jedes Programms und Projekts und beginnt bereits im Planungsprozess. Alle Elemente und Prozesse werden dahingehend evaluiert, inwiefern sie zur Wirkung beitragen.  

Ihr wollt euch noch tiefergehend mit dem Thema Wirkung beschäftigen? Hier findet Ihr wertvollen Input: 

MINT-Qualitätsoffensive: https://www.mint-qualitaet.de/ 
MINT-Qualitätsoffensive Selbstanalyse-Tool: https://www.mint-qualitaet.de/die-selbstanalyse/ 
Kursbuch Phineo: https://www.phineo.org/kursbuch-wirkung 
Social-Reporting-Standard: https://www.wirkung-lernen.de/ 
Ashoka Deutschland: https://www.ashoka-deutschland.org/about/ 

Außerdem könnt Ihr Euch den Input von Sina Muster auch als Input-Video aus dem Innovationspanel anschauen – viel Spaß!  

Sina Muster: Die GemüseAckerdemie – Wirkungsanalyse seit dem ersten Spatenstich