zur Übersicht
07. Januar 2022

So begeistern diese Expert:innen Mädchen und Frauen von MINT entlang der Bildungskette

  • Gender
  • Gute Praxis

Geschätzte Lesedauer: ca. 10 Minuten

Drei Initiativen, drei Erfolgsgeschichten: Im Rahmen der MINT-Aktionswoche verrieten Expert:innen von YouCodeGirls, girls for innovation und der Femtec GmbH, wie sie es schaffen, bei Mädchen und jungen Frauen den Funken der Begeisterung für MINT(-Berufe) zu entfachen, welche Stolpersteine es zu umschiffen gilt und welche Tipps sie für andere Akteurinnen haben. 

YouCodeGirls: schon Grundschülerinnen mit MINT erreichen 

Das hat sich bei YouCodeGirls bewährt: 
  • Unterstützung durch KI, um gezielt passende Angebote zu finden 
  • einfache, gendergerechte Sprache 
  • Mitmach-Content 

Im Rahmen des Gendertags der MINT-Aktionswoche 2021 berichtete der Leiter der Abteilung Content und Didaktik in der Didactic Innovations GmbH Jannick Eckle von seinem Projekt YouCodeGirls. Was dort getan wird, um Mädchen und junge Frauen fürs MINT-Thema Coding zu gewinnen, haben wir Euch hier zusammengefasst.  

Mit Hilfe von KI gezielt ansprechen 

Eine Besonderheit der Initiative YouCodeGirls: Sie will entlang der Bildungskette werben. Die Angebote gelten also nicht nur für jüngere Mädchen im Grundschulalter, sondern sollen auch Teenagerinnen, Studienanfängerinnen und junge Erwachsene erreichen. Damit auch jede Nutzerin das Angebot findet, das am besten zu ihr selbst passt, arbeitet die Seite schon bei der Anmeldung mit künstlicher Intelligenz (KI), später unterstützt die virtuelle Lernbegleiterin Mia während des Lernprozesses mit dieser Technologie. 

Wie spricht die Initiative ihre Zielgruppe an? Einmal über den klassischen Weg, nämlich Social Media. Regelmäßig werden Kurzbeiträge und zielgruppenorientierte Formatreihen gepostet, die auf die Gewohnheiten der Nutzerinnen ausgerichtet sind, beispielsweise ein Coding-Abc, das kurze und prägnante Erklärungen zu codingspezifischen Themen gibt.  

Die Texte sind hier in einer sehr einfachen Sprache formuliert, um Hürden möglichst gering zu halten und eine möglichst große Zielgruppe und Bandbreite zu erreichen. Ganz wichtig: eine direkte Ansprache, natürlich gendergerecht. Es werden Emojis eingesetzt und informationsgerechte Hashtags verwendet, um sicherzustellen, dass die Beiträge auch gefunden werden. 

Da YouCodeGirls nicht nur Mädchen und junge Frauen entlang der Bildungskette ansprechen will, sondern auch Multiplikator:innen, ist die Initiative auf Facebook, Instagram und Twitter vertreten. Lehrkräfte und Eltern sind beispielsweise stärker auf Kanälen wie Twitter unterwegs, während die Zielgruppe selbst hauptsächlich auf Instagram aktiv ist. 

Neben den Social-Media-Aktivitäten ist auch der Blog ein gutes Instrument, um Nutzerinnen anzusprechen. Dort werden, so Eckle, nicht nur codingspezifische und aktuelle Themen behandelt, sondern auch übergreifende, wie zum Beispiel Tipps, um Zweifel zu überwinden oder die Selbstmotivation zu steigern. Sie sollen dazu beitragen, die erste Hemmschwelle vor der Materie zu überwinden. Perspektivisch soll es auch User Generated Content geben, also Beiträge von den Nutzerinnen selbst. Und zwar, wie alle Beiträge auf der Seite, nicht nur rein textbasiert: Sie sollen multimedial gestaltet werden und über audiovisuelle Medien verfügen, um das Interesse am Thema möglichst hoch zu halten.  

Warum Machen so viel besser ist als Zuhören 

Ein weiterer Hebel von YouCodeGirls, um Begeisterung zu schüren: Veranstaltungen wie die Didacta. Wie auch bei den Lernangeboten ist bei Events gleichermaßen wichtig, dass die Nutzerinnen selbst auch etwas tun dürfen und aktiv und entdeckend bei der Sache sind. „Man kann sich nur für etwas begeistern, wenn man selbst etwas tun darf und durch Interaktionen aufgefordert wird, das erworbene Wissen anzuwenden“, berichtet Eckle. 

Und wie werden die Lernangebote per se gestaltet? Neben gebündelten Angeboten von Partnerinnen und Partnern entwickelt die Initiative auch eigene Formate. Das Wichtigste bei jedem einzelnen Angebot: der Bedarf nach einem wirklichen Interessensbezug. Es muss nah an der Lebenswelt der Zielgruppe dran sein und ein aktuelles Thema aus der Welt der Nutzerinnen aufgreifen. „Es ist ganz wichtig für unsere Nutzerinnen, dass sie einen konkreten Bezug zum Thema haben und sehen: Wo spiegelt sich das in meinem Alltag wider?“, so Eckle. Ein Beispiel, das er hier nennt: Crashcodes, also Zeichenfolgen, die das Smartphone lahmlegen.  

Auch die didaktische Gestaltung der Beiträge ist ein wichtiger Aspekt: Mit durchdachtem Storytelling wird dafür gesorgt, dass es einen roten Faden gibt, dass die Nutzerinnen abgeholt werden und es Spaß macht, diesem Format zu folgen. Da die Zielgruppe groß ist und man den verschiedenen Lerntypen auch gerecht werden möchte, gibt es eine Formatvielfalt: „Es gibt Lernerinnen, die visuelle Typen sind, andere sind auditive Typen. Niemand soll außen vor gelassen werden.“  

girls for innovation: Mädchen ab der 9. Klasse direkt ansprechen 

Das hat sich bei girls for innovation bewährt: 
  • Selbstvertrauen aufbauen 
  • mit anderen MINT-Mädchen zusammenbringen 
  • Freiraum geben, eigene Ideen umzusetzen und selbst zu gestalten 

MINT-begeisterte Schülerinnen aller Schulformen ab der 9. Klasse aus Köln und dem Umland zu finden, das ist die Aufgabe von Tonia Kahl, Ansprechpartnerin für das MINT-Stipendium für Schülerinnen girls for innovation. „Uns geht es nicht um die besten Schulnoten in den MINT-Schulfächern, sondern darum, dass es die Mädchen wirklich interessiert und begeistert“, so Kahl bei der MINT-Aktionswoche.  

Eine fundierte Berufswahl treffen können 

Das einjährige Stipendium erstreckt sich über ein Schuljahr und ist keine materielle Förderung, sondern eine Förderung durch Workshops und gemeinsame Tätigkeiten. Ziel ist es, dass die Stipendiatinnen nach dem Schuljahr eine fundierte Berufswahlentscheidung treffen können. Die Mädchen kommen einmal im Monat zu Summer Schools, aber auch zu „MINT Future Fridays“ zusammen. Großer Bestandteil: selbstgewählte Projektarbeiten, bei denen die Teilnehmerinnen ihre eigenen Visionen in Kleingruppen umsetzen.  

„Ganz wichtig ist uns, das Selbstvertrauen der Mädchen aufzubauen und sie aus dem Klassenverband herauszuholen und mit anderen MINT-begeisterten Mädchen zusammenzubringen“, betont die MINT-Koordinatorin. „Vielleicht ist die beste Freundin nämlich so gar nicht an dem Thema interessiert. Hier haben sie Gelegenheit, ‚MINT Deep Talk‘ zu führen.“ 

Diese Herausforderungen gibt es bei der Ansprache von Mädchen 

Und wie spricht girls for innovation diese Mädchen an? Tonia Kahl berichtet ehrlich, welche Herausforderungen die Initiative dabei zu bewältigen hatte. „Das dauerte schon sehr lange, bis wir uns für ein Logo und einen Namen entschieden hatten. Es gab viele Diskussionen, bis wir uns da einig waren.“ Dann wurden damit klassische Printmedien wie Postkarten, Plakate und Fotodokumentationen bedruckt. Und auch hier erzählt Kahl von Stolpersteinen: „Wir bekamen erst im Nachgang das Feedback, dass das abgebildete Mädchen viel zu dünn wäre, sie aussähe wie ein Junge und der Roboter wie ein tic tac.“ Ihr Tipp: Schon vorab genau überlegen, was man mit seinem Branding vermitteln möchte. 

Natürlich kommen auch digitale Medien zum Einsatz: Über den Instagram-Kanal werden Events beworben und die Aktivitäten der Mädchen gezeigt. Die Projekte der Teilnehmerinnen hätten teilweise sogar eigene Instagram-Seiten, die dann vernetzt werden können.  

Das Herzstück ist die Website von girls for innovation. Dort wird Rahmencontent veröffentlicht, es hat aber auch jede Projektgruppe ihre eigene Unterseite, die die Mädchen selbst entwickeln, füllen und gestalten, um die Außenwelt anzusprechen und auf Ideen und Unterstützungsbedarf hinzuweisen. Oft bringen die Akteurinnen selbst Themen mit, die einen gesellschaftlichen Nutzen haben, wie etwa nachhaltige Ingenieurswissenschaften oder 3D-Druck und Medizintechnik. 

Die Stipendiatinnen rekrutiert die Initiative gezielt: Es gibt „girls only“-Feriencamps, wo Mädchen angesprochen werden. Außerdem werden Workshops zum Thema Mädchen und MINT bei Projektwochen an Schulen angeboten. girls for innovation arbeitet daneben mit Partnerschulen zusammen. Oft kommen Tipps auch von Lehrkräften, die darauf hinweisen, wenn sie eine besonders begabte Schülerin im Unterricht haben. 

Ein weiterer wichtiger Faktor, um für das Projekt zu werben: Infoabende für Interessierte, wo Alumni-Mädchen zu Wort kommen und auf Augenhöhe und realistisch von ihren Erfahrungen mit dem MINT-Stipendium berichten. Dazu kommt ganz viel Mund-zu-Mund-Propaganda.  

Freiraum geben, über Sorgen und Hürden sprechen 

„Die Mädchen haben bei uns ganz viel Freiraum, Dinge selbst zu gestalten und Themen einzubringen“, erzählt Kahl. „Dadurch sprechen wir auch ganz viel mit ihnen. Man lernt sich über das Jahr kennen und erfährt auch von Sorgen und Hürden im Bereich MINT-Berufsorientierung.“ Was ihr nicht klar gewesen sei: dass sich teilweise auch schon 14-Jährige Gedanken darüber machen, wie Familiengründung mit MINT-Berufserfolg einhergehen kann.  

Um den Mädchen Mut zu machen, lädt die Initiative weibliche Vorbilder ein, mit denen sie ins Gespräch kommen können. Aber auch männliche Expertise ist durchaus willkommen: „Unser Ziel ist ja nicht, dass am Ende die Frauen die MINT-Macht haben, sondern dass es ein gleichwertiges Level gibt.“ 

Tonia Kahl will den Mädchen ein Gefühl der Normalität vermitteln: „Ich sage den Mädchen nicht ständig, wie besonders das ist, dass sie MINT machen. Aber sie wissen natürlich trotzdem, dass es diesen Mangel gibt.“ 

Femtec GmbH: Studentinnen auf zukünftige Herausforderungen von MINT-Berufen vorbereiten 

Das hat sich bei Femtec bewährt: 
  • Netzwerk aufbauen und stärken 
  • Role Models einsetzen 
  • Bewerbung auch an Partner:innen auslagern 

Das Career-Building-Programm von Femtec, das sich an Master-Studentinnen in MINT-Studiengängen richtet, wurde beim Gendertag der MINT-Aktionswoche von Geschäftsführerin Marion Zeßner und PR-Expertin Julia Neuhaus vorgestellt. Das Ziel des rund ein Jahr dauernden studienbegleitenden Entwicklungsprogramms: Frauen fürs Berufsleben zu stärken und alles mitzugeben, womit sich von Männern dominierte Felder aufbrechen lassen. 

Netzwerken als Einstiegschance 

Dadurch dass über Femtec MINT-Studentinnen aus acht Hochschulen zusammenkommen, bildet sich ganz automatisch ein großes Netzwerk. „Das ist ein Thema, das wir im Rahmen unseres Programms aktiv vermitteln“, berichtet Marion Zeßner. Einige Module widmen sich ganz konkret dem Netzwerken. Mitglied bei Femtec sind außerdem elf global agierende Technologieunternehmen und die Fraunhofer-Gesellschaft, zu denen es zahlreiche Schnittstellen gibt, damit die Stipendiatinnen dann auch Kontakt haben – und idealerweise auch Einstiegsmöglichkeiten bekommen. 

Auch Alumnae sind Teil des Netzwerkes. Sie stehen helfend zur Seite und werden außerdem als Role Models eingesetzt. Es gibt aber auch im aktuellen Jahrgang immer eine Ansprechpartnerin, an die man sich wenden kann. Auf Infoveranstaltungen, die sich an Studentinnen richten, die sich vorstellen können, am Programm teilzunehmen, kommen Role Models ebenso zum Einsatz. Meist sind das Studentinnen, die beratend zur Seite stehen und den Interessierten vermitteln: „Egal, wer Du bist, egal auf welchem Level Du bist – Du kannst dabei sein, es gibt einen Platz für Dich!“ 

Gendergerechte Sprache, aktuelle Themen 

Auf der Website von Femtec sind die wichtigsten Informationen gebündelt. Dort wird auf gendergerechte Sprache geachtet und es werden Themen angesprochen, die wichtig sind für Frauen, die sich für MINT begeistern. „Über Social Media möchten wir junge Menschen erreichen, die gerne in diese Richtung gehen wollen, aber noch nicht genau wissen, wie sie den Zugang dazu finden sollen“, sagt Neuhaus. Für diese jüngere Zielgruppe, also die (zukünftigen) MINT-Studentinnen, nutzt Femtec vorwiegend Instagram und Facebook, weil es die Plattformen sind, die sie in ihrem Alltag auch wirklich nutzen. Das Netzwerk aus Partnerunternehmen und Universitäten wird explizit über die Business-Seite LinkedIn angesprochen. Alle Beiträge sind aktuell und greifen auf, was gesellschaftlich gerade wichtig ist.  

Extrem hilfreich bei der Ansprache von Studentinnen sind für Femtec auch die Universitäten selbst. An jeder Hochschule gibt es vor Ort eine Universitätskoordinatorin, die sich darum kümmert, dass Interesse an dem Stipendium geweckt wird. Das funktioniert über Infoveranstaltungen, Plakate und Flyer sowie über Professor:innen, die geeignete Kandidatinnen empfehlen. 

Ihr wollt noch mehr zum Thema MINT und Mädchen erfahren? Hier findet Ihr weitere spannende Projekte, die im Rahmen des Gendertags bei der MINT-Aktionswoche Ende November 2021 vorgestellt wurden.