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05. Januar 2022

Kinder sind neugierige Forscher:innen

  • Didaktik

Geschätzte Lesedauer: ca. 5 Minuten

Das Projekt „transMINT4.0“ an der Universität Paderborn verbindet den Besuch außerschulischer Lernorte mit dem Einsatz digitaler Medien. Es geht darum, die Lust auf MINT-Themen bei Grundschulkindern am Übergang zur weiterführenden Schule aufrechtzuerhalten. Das Projekt wurde am Didaktik-Tag der MINT-Aktionswoche vorgestellt. Wir sprachen mit Prof. Dr. Eva Blumberg über ihre Forschung. 

MINTvernetzt: Frau Blumberg, Sie sind Professorin für die „Didaktik des naturwissenschaftlichen Sachunterrichts an der Universität Paderborn. Was genau finden Sie in Ihrer Forschung heraus? 

Eva Blumberg: Wir forschen dazu, wie frühes naturwissenschaftliches Lernen und Lehren gestaltet sein sollte, damit langfristig wirkende multiple oder auch multikriterielle Lerneffekte entstehen. Was meine ich damit? Das heißt, es kommt nicht nur darauf an, dass die Kinder fachliche Kompetenzen ausbilden. Sondern – was ich viel wichtiger finde: dass sie interessiert und motiviert sind und es auch bleiben, sich mit naturwissenschaftlichen Themen zu beschäftigen, und eine positive Einstellung gegenüber MINT entwickeln. 

Zwischen der Grundschule und der weiterführenden Schule besteht beim MINT-Lernen nach wie vor eine Kluft. Woher kommt diese? 

Kinder treten als sehr neugierige Forscher:innen in die Grundschule ein. Am Ende der vierten Jahrgangsstufe zeigen die Kinder nach wie vor eine sehr positive Einstellung und ein positives Selbstkonzept gegenüber Sachunterricht und naturwissenschaftlichen Themen, wie die letzten Erhebungen bei TIMSS (Trends in International Mathematics and Science Study) zeigten. Der Sachunterricht scheint diese Neugierde also grundsätzlich aufrechterhalten zu können. Wenn dann der Übergang in die weiterführende Schule stattfindet, ändert sich die Art und Weise des Unterrichts zu einer frontal ausgerichteten Form. Die Kinder können so weniger forschend-entdeckend lernen. Studien haben gezeigt, dass Interesse und Motivation dann nachlassen. 

Wie können Sie es schaffen, dieses Interesse nachhaltig aufrechtzuerhalten? 

Wir wissen, dass sich Grundschulkinder im naturwissenschaftlichen Sachunterricht besonders dann langfristig für MINT-Themen interessieren, wenn sie auch an außerschulischen Lernorten unterrichtet werden. Diese haben eine kognitiv aktivierende Wirkung auf die Kinder, das heißt, sie regen zum Nachdenken an – die Kinder fühlen sich wach, wie es ein Viertklässler mal so schön ausgedrückt hat – und das Interesse an MINT steigt. Zudem hat sich der unterstützende Einsatz digitaler Medien bewährt.  

Ihr Projekt heißt „transMINT4.0 – Grenzen überwinden, MINT-Bildung verbinden durch außerschulische Lernorte und den Einsatz digitaler Medien“. Was genau kann man sich darunter vorstellen? 

Wir nehmen Tablets mit zu außerschulischen Lernorten. Über den Einsatz diverser Dokumentations-Apps können die Grundschüler:innen beispielsweise den Lernort mit Fotos dokumentieren, dazu lässt sich auch ein Text eintragen. Es gibt auch USB-Mikroskope. Am Fließ- oder Stehgewässer können Wasserproben genommen und direkt über das digitale Endgerät dokumentiert werden. So kommen die Ergebnisse hinterher mit in den Klassenraum. 

Es gibt in Ihrem Projekt auch ein mobiles Labor, ein sehr gutes Anwendungsbeispiel.  

Das Schülerlabor nennt sich coolMINT und ist im Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn angesiedelt, es ist das Projekt meiner Kollegin Prof. Dr. Katrin Temmen, die an der Universität Paderborn zu Technikdidaktik forscht. Das Schülerlabor macht Angebote, die von Schulen und Jugendgruppen, die sich beispielsweise für Scratch interessieren, gebucht werden können. Dann packt das Team vom coolMINT die Sachen und kommt in Jugendtreffs oder im Klassenraum vorbei. Das ist vor allem für den ländlichen Bereich interessant, wo es keine außerschulischen MINT-Angebote um die Ecke gibt. 

Wie erforschen Sie die Motivation von Schüler:innen an außerschulischen Lernorten? 

Wir führen ein quasiexperimentelles Vergleichsgruppendesign durch, vereinfacht gesagt: Wir gestalten an Schulen Unterricht zu den BNE-Themen „Windenergie“ und „Ressourcenschonender Umgang mit Wasser“, das heißt zur „Bildung für nachhaltige Entwicklung“. Einmal findet der Unterricht nur beziehungsweise überwiegend an außerschulischen Lernorten statt – und mit anderen Klassen nur im Klassenraum. Beide Male ist es derselbe Unterrichtsinhalt und es werden Tablets eingesetzt. Nur der Ort ist eben ein anderer. Wir gehen davon aus, dass es durch die stärkere kognitive Aktivierung, die größere Aufmerksamkeit am außerschulischen Lernort positive Effekte beim Lernen gibt. Wir verfolgen und befragen die Viertklässler:innen längsschnittlich bis in die weiterführenden Schulen. So finden wir heraus, inwieweit der Grundschulunterricht am außerschulischen Lernort auch langfristig über den Übergang hinweg positive Effekte hat. Ziel ist es, dass die Schüler:innen selbstbewusst und interessiert an naturwissenschaftliche Fächer herangehen und von sich aus einen außerschulischen Lernort aufsuchen.  

Was können Sie Lehrkräften in Bezug auf MINT-Bildung mit auf den Weg geben? 

Langfristig packt es das Interesse der Kinder und Jugendlichen, wenn sie sich außerhalb der Schule mit MINT-Themen beschäftigen. Deshalb würde ich Lehrerinnen und Lehrern gerne raten, dass sie den Blick öffnen und auf außerschulische Bildungsinstitute zugehen. Gerade in Pandemie-Zeiten, in denen vielleicht nicht im Klassenraum gelernt werden darf, bieten außerschulische MINT-Lernorte eine ganze Menge. Zum Beispiel Möglichkeiten, draußen zu lernen.  

Haben Sie zum Schluss noch einen Tipp für MINT-Akteur:innen, die an einem außerschulischen Lernort tätig sind? 

Machen Sie Ihre Angebote bekannt. Da reicht es nicht, über digitale Kanäle wie Social Media zu gehen. Lassen Sie Flyer drucken und bringen Sie diese immer mal wieder an den Schulen in der Umgebung vorbei. Sie werden von den Lehrkräften in der Pause gerne mal in die Hand genommen. Die Schulen sind in allen möglichen Bereichen stark gefordert. Da ist es nicht verkehrt, von Zeit zu Zeit an ein tolles MINT-Angebot zu erinnern. 

Frau Blumberg, vielen Dank für das Gespräch. 

Mehr Informationen gibt es hier: www.coolmint-paderborn.de